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Dienstag, 18. Januar 2022 20:29

Mensch, mach mit!

Ehrenamt

Ein Bericht von Isabel Lauer, Lokalredaktion Nürnberg.

Ulrich Reinwald, der neue Chef im Fränkischen Albverein, singt ein Loblied auf das Vereinswesen.

"Vereinsmeier" – diesen Begriff mag Ulrich Reinwald gar nicht. Es ist ein schönes, sehr deutsches Wort, auch in seiner unterschwelligen Missgunst, denn der "Meier", von dem hier die Rede ist, klüngelt auf unsympathische Art, das schwingt gleich mit. "Einem Vereinsmeier geht’s ums Saufen", findet wiederum Reinwald. "Mir geht es bei dem Thema um etwas Höheres. Ich wollte nie Zeit totschlagen, sondern gehört werden."

Ulrich Reinwald ist ein lebender Beweis dafür, dass sich das überalterte deutsche Vereinswesen trotz aller Unkenrufe verjüngen kann. Mit 46 Jahren hat der Nürnberger zwei ehrenamtliche Leitungsposten in regionalen Vereinen inne – und ist in einer guten Handvoll weiterer Vereine einfaches Mitglied: von der Naturhistorischen Gesellschaft bis zum Förderverein des Fränkischen Freilandmuseums, vom Geschichtsverein der Stadt Nürnberg bis zu den Tiergartenfreunden, die automatischen Eintritte in Partnervereine seiner Vereine noch nicht mitgezählt.

Von den Großeltern gelernt

Warum? "Warum nicht, wenn’s mich interessiert?", sagt Reinwald. "Ich sehe jeden Termin, jeden Vortrag, jedes Treffen als Bereicherung", erklärt er vor dem Interview in einer E-Mail. Seit 2019 amtiert er im Verband Wohneigentum als bayerischer Vizepräsident. Der Verband vertritt Häuslebesitzer in Eigenheimsiedlungen aus der historischen Wachstums-Ära der Städte. Schon seine Großeltern hätten sich in der Nachkriegszeit in der Siedlergemeinschaft Weißenburger Straße engagiert. Als Kind sei er da ganz selbstverständlich zu den Treffen mitgegangen. Irgendwann wurde halt ein Kassierer gesucht, dann ein neuer Vorstand – der nunmehr erwachsene Junge ist heute erster Vorsitzender.

Im Sommer 2021 nahm Reinwald dann das an, was vor ihm so einige als zu große Bürde abgelehnt hatten: Der Fränkische Albverein wählte ihn zum Präsidenten. Er war der einzige Kandidat, der Posten fast zwei Jahre lang vakant gewesen, als Folge vereinsinterner Streitigkeiten um die Abspaltung einer Mitgliedergruppe. "Ohne einen neuen Vorsitzenden wäre dieser 107 Jahre alte Verein liquidiert worden", erinnert er sich entsetzt. "Ich sehe ihn nicht nur als Wanderverein, sondern als Big Player für Kulturthemen in Mittelfranken. Das ist schon fast eine Firma."

Im Hauptberuf arbeitet der gesprächige Franke beim Malteser-Hilfsdienst als stellvertretender Leiter der Fahrdienste für Schüler und behinderte Menschen. Ein geregelter, ein sozialer Job in Vollzeit; schon als Zivi war er bei den Maltesern. Nach Feierabend aber befasst er sich als Vereinschef mit Themen wie Öltankversicherungen oder der Neuordnung der Albvereins-Bibliothek, studiert Unterlagen von Landschaftspflegeverbänden oder genehmigt Abrechnungen von Wanderwegemeistern. Er weiß schon, "viele Leute interessiert das null. Aber auch Strukturarbeit gehört doch zum Ehrenamt". Grillfeiern, Busausflüge und das gute Gefühl von Zusammenhalt sind sein Lohn - und, klar, auch gesellschaftliche Anerkennung.

Auf das verwandte Feld der Politik hat sich Ulrich Reinwald auch schon begeben: als Mitglied der Jusos in seiner Jugend ("Im Wahlkampf 1994 mit Schröder-Scharping-Lafontaine habe ich gelernt, auf Leute zuzugehen!") und später mit der "Partei für Franken", für die er zur Landtagswahl 2018 antrat. Diese Liebelei ist vorbei. "Ich kann meine Vereinsämter besser ausüben, wenn ich politisch neutral bleibe."

"Wir haben nicht weniger Zeit"

Das Ausbluten bei Vereinen, Parteien und Organisationen sehe er mit Sorge, ohne die Lösung zu kennen. Natürlich müssten viele Angebote attraktiv für Jüngere werden: WhatsApp-Gruppen statt Schaukasten, digitale Wandertouren statt Stammtisch. Aber: "Es heißt auch, die Leute hätten heute keine Zeit mehr", sagt er. "Nie zuvor hatten wir doch, von der Familienphase abgesehen, so viel Zeitgewinn durch technische Erleichterungen im Haushalt. Wir vertun sie halt mit dem Handy, Computer und Fernseher."

Er jedenfalls finde in den Vereinsämtern Vielseitigkeit und Selbstverwirklichung, neues Wissen, Entscheidungsfreiheit - und niemand hat ihn beauftragt, so dafür zu werben. Vereine geben "Heimat gegen Einsamkeit", schrieb er dem Magazin "Der Spiegel" in einem Leserbrief, als es um die Vereinzelung in der Pandemie ging. Freilich müsse die private Situation passen; ihm lasse sie den Raum dafür. Und es bleibt ja immer noch die Alternative, so sein Rat, Interessenvertretungen durch Mitgliedschaften passiv zu unterstützen.

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